Mittwoch, 19. September 2007

Zunehmend prekär: Atypische Arbeitsverhältnisse und der sinkende Angestelltenstatus

Die Situation wird zunehmend bedrohlicher und drängender: "Jeder 2.Büroplatz ist akut gefährdet!" sagt Buchautor Günter Ogger. Am Dienstagabend (fast noch zur "Prime-Time") im Ersten, in der Sendung "Menschen bei Maischberger", fand sich eine illustre, kompetent besetzte Gesprächsrunde zusammen, der auch Herr Ogger angehörte.Das Thema war "Angst vor Absturz: Kein Job ist sicher!" Viel wurde über die Arbeitsplatz-Chancen an sich, über die sprunghafte Zunahme der atypischen (der unsicheren) Arbeitsverhältnisse, über mögliche Versäumnisse der Politik, über vergebliche, teilweise skurille Vermittlungsversuche der Arbeitsagentur, über die quälenden "Abschmelzaktionen" der Großen aus der Vergangenheit (Post/Telekom/ Siemens), über das Zusammenwirken der globalisierten Wirtschaft und deren wahre Einflussgrößen (z.B.die Immobilien-/Finanzkrise in den USA oder die Arbeitskosten in China) gesprochen. Zusätzlich eingeworfen noch ein historischer Spannungsbogen: Nachdem man die Arbeiterklasse in den 70er Jahren per aufwertender rechtlicher Gleichstellung mit den Ange-stellten "abgeschafft" hatte, steht dem hoch bewerteten Angestellten-status in Deutschland nun eine gründliche Reduktion oder Demontage bevor. Mehr, viel mehr Flexibilität, führt "zwangsläufig" zu einer künft-igen Drittelung der Arbeitnehmerschar: 1/3 auf finanzschwachen Zeit-arbeitsplätzen (davon die Hälfte auf Geringfügiges-Einkommen-Niveau) 1/3 auf hoch gepflegten elitären Arbeitsplätzen und 1/3 auf "abzuwickeln-der" Auslaufposition. Da führt kein Weg vorbei, weil die Wirtschaft befreite Aktionsräume braucht, um flexibel und leistungsfähig zu bleiben.
Mehr Bildung - Mehr Mobilität - Mehr persönliche Anpassungs-fähigkeit/ Flexibilität - Mehr Eigenverantwortung - Mehr Risikobereitschaft sind künftig Trumpf As bei der Fortführung des persönlichen Berufsweges. Der lange Zeit priviligierte, qualifizierte, unternehmernahe Ange-stellte wird fast zum Auslaufmodell. Millionen noch gut bezahlter Arbeitsplätze werden mittel-fristig verloren gehen. Abendrot über Deutschlands Angestelltenkaste.
Die Mentalität des Einzelnen ist hier von entscheidender Bedeutung. Der Multi-Millionär, der schon mehrfach in den Abgrund geschaut hat, fast unglaubliche Risiken einging und es nach Jahren trotzdem geschafft hat, ist mit Sicherheit nicht so einfach multiplizierbar (wieviel Millionäre verträgt überhaupt eine Wirtschaft?). Er sitzt im Olymp des Kapitalismus und kann noch so viele gute Ratschläge geben, er wird der Millionenschar der abhängig beschäftigten Klein- und Kleinstverdiener keinen wirkungsvollen Rat geben können. Nun, was ist wirklich machbar? Den Wohnort verlagern, hin zur Arbeit? Sich dem Schicksal ergeben und in HartzIV abtauchen? oder täglich suchen, suchen? Das in der Sendung leibhaftig vorgeführte Paradebeispiel für Flexibilität und Transformation von "Cindy aus Marzahn" (Comedian Ilka Bessin) könnte als Metapher für einige Hundert weitere Menschen gelten, aber nicht für Millionen. Die Situation ist prekär! Ich befürchte, sehr viele Betroffene werden "die Kurve" nicht meistern.
Nun, Hoffnung gibt es immer. Menschen, die als Vorbild oder Beispiel gelten können, gibt es auch. Man muss sie nur treffen, mit ihnen kommunizieren. Die Webplattformen zur Eigenhilfe - in unterschiedlichster Form - haben Hochkonjunktur. Ob Sie sich nun als Fachfrau und Spezialistin, als Freiberufler, Freelancer, als langjähriger Telekom-Facharbeiter mit Ihrem Eigendarstellunsprofil auf Xing oder Marke-tingbörse positionieren, oder sich aus Ihrem Zustand der zunehmenden Hilflosig-keit heraus mit Ihren Fragen an eine Job-Community ratsuchend wenden (z.B. "arbeits-abc.de"), Sie haben Möglichkeiten zu ersten Schritten in eine neue Erwerbs-Zukunft hinein, zu neuen Perspektiven.
Aus meiner Sicht des verkäuferisch orientierten, produktebezogenen Kaufmanns ist klar, dass zu meinen künftigen Leitlinien beim Vertriebsauf-und Ausbau nur Produkte und Dienstleistun-gen in die Wahl kommen, die entweder die Mitglieder der priviligierten abhängig Beschäftigten-schar in ihrer Leistungsfähigkeit an Körper und Geist unterstützen oder Unter-nehmer bei der Sicherung ihres Erfolges innovativ begleiten oder den Angehörigen der von der Abwicklung bedrohten Fachkräften per Weiterqualifikation neue Türen öffnen und/oder den Angehörigen des Blocks der Beschäftigten in unsicheren, atypischen Verhältnissen beim Geld sparen helfen. Dienstleistung ist Trumpf. Höchste Zeit, dass das in unserer Industriegesell-schaft, in unserem immer noch "preussisch" verwalteten Bürokratenstaat, umfänglich begriffen wird! Das ist sehr sehr viel Arbeit, die ich allein nicht mal zu einem Promille leisten werden kann. Trotzdem, ich bin auf dem Weg und ich bin sicher, das künftig viele Menschen mit mir diesen Weg gehen werden. Was prekär war und neuerdings "atypisch" ist, dazu habe ich die Erfahrung, den Überblick und mein Netzwerk, mein Team. Auch ich war mal Angestellter in sehr guter Position (Geschäftsführer/Prokurist), aber irgendwie, aus dem Bauch heraus, hatte ich der Sache nie ganz getraut.
Bruno Paaß

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